Donnerstag, 15. September 2011

Die Unternehmen entdecken die Vorzüge des Internets, um Personal zu gewinnen. Das World Wide Web bietet jedoch nicht nur den Arbeitgebern viele Vorteile. Auch die Arbeitnehmer profitieren von der gestiegenen Transparenz.

Matthias Müller

Früher ist die Welt für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch in Ordnung und in Teilen auch einfacher gewesen. Freie Stellen schrieben die Unternehmen in den Printmedien aus, und die Interessierten reichten ihre Bewerbungsunterlagen mit der Post ein. Doch in den vergangenen Jahren hat sich dieser Prozess massiv verändert, und die Welt der Bewerbungen ist vielfältiger geworden. So hat das Internet den Printmedien den Rang bei der Stellenausschreibung abgelaufen, und die postalische Bewerbungsmappe verliert immer mehr an Bedeutung.
Unmengen an Informationen

Diesen Trend zeigt die Befragung der 500 grössten Schweizer Unternehmen, die vom Centre of Human Resources Information Systems der Universitäten Bamberg und Frankfurt in Zusammenarbeit mit der Online-Stellenbörse Monster durchgeführt wurde («Recruiting Trends 2011 Schweiz»). Danach gehen inzwischen drei Viertel der Bewerbungsunterlagen in elektronischer Form bei den Unternehmen ein. Für Unternehmen wie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG stellt das eine erhebliche Entlastung dar, denn das Unternehmen erhält allein in der Schweiz jährlich mehr als 10 000 Bewerbungen, die Mehrzahl davon geht inzwischen online ein.

Zudem bieten nur noch zwei von zehn befragten Unternehmen ihre vakanten Stellen in den Printmedien an. Dagegen schalten annähernd neun von zehn Betrieben ihre Stellensuche auf der eigenen Homepage, annähernd 70% nutzen die Stellenbörsen im Internet, doch nur ein Bruchteil von 2,4% greift auf soziale Business-Netzwerke wie Xing und LinkedIn zurück. Der Anteil von Facebook und Twitter, auf denen Unternehmen ihre Stellenangebote inserieren, belief sich laut der Umfrage im vergangenen Jahr ebenfalls nur auf 2,0%.

Es schreiben also nicht alle Unternehmen ihre vakanten Stellen auf der eigenen Homepage aus, obwohl das für die Arbeitgeber die billigste Variante ist. Die Verfasser der von Monster in Auftrag gegebenen Studie begründen das mit der mangelnden Abstimmung zwischen den Personalabteilungen und den für den Internetauftritt Verantwortlichen in den Betrieben. Doch die Unternehmen verhalten sich noch in einem weiteren Punkt wenig professionell. Nur ein Drittel der Unternehmen unterstützt laut der Studie von Monster seine Stellenanzeigen mit einer gezielten Suchmaschinen-Optimierung. Anders formuliert: Zwei Drittel der 500 grössten Schweizer Unternehmen vergeben damit die Chance, dass ihre Stelleninserate in den gängigen Suchmaschinen an prominenter Stelle aufgeführt und damit von den Arbeitnehmern besser wahrgenommen werden.

Jedoch ist die Informationsflut, die das Internet bereithält, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer kaum noch zu bewältigen. Etwas Licht in dieses Dickicht bringt für den Schweizer Arbeitsmarkt eine von dem in Thalwil domizilierten Unternehmen «x28» entwickelte Suchmaschine mit dem Namen jobagent.ch. Diese sucht mehrmals täglich die Homepages von rund 300 000 Schweizer Unternehmen nach offenen Stellen hierzulande ab. Dabei gelingt es der Suchmaschine nach den Worten von Cornel Müller, einem Mitglied der Geschäftsleitung von «x28», die freien Stellen mittels einer semantischen Anreicherung nicht nur im Netz zu finden, sondern auch zu interpretieren und zu vergleichen. So gibt es für ein und dieselbe Stelle oft verschiedene Bezeichnungen – etwa den «Verkaufsleiter», den «Leiter einer Verkaufsabteilung» oder den «Head of Sales», was die Transparenz der Stellenausschreibungen oft mindert.

Mit diesen aufbereiteten Informationen versorgt «x28» nicht nur Personalvermittler wie Adecco, sondern auch mehrere Regionale Arbeitsvermittlungszentren. Auf Basis ihrer Daten veröffentlicht «x28» jedes Quartal den Schweizer Jobradar, in dem aufgelistet wird, wie gross die Zahl der offenen Stellen in den Kantonen ist, welche Vakanzen es in den einzelnen Branchen sowie Berufsgruppen gibt und in welchem Umfang Arbeitgeber und Personalvermittler Beschäftigte suchen.
Suche nach Spezialisten

Doch das Internet bietet den Unternehmen noch viele weitere Kanäle, um die Arbeitnehmer auf freie Stellen aufmerksam zu machen. So stellen sich die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) seit rund einem Jahr den potenziellen Kandidaten mit einem Video als neuen Arbeitgeber vor und stellen den Bewerbungsprozess damit auf den Kopf. Der Titel des Videos, in dem die VBZ etwa Tramfahrer suchen, heisst: «Walter Bernegger, Leiter Betrieb Tram, bewirbt sich als Ihr neuer Chef.»

Die Zürcher Verkehrsbetriebe stellen die Videos nicht nur auf ihre Homepage, sondern sie sind auch auf der Facebook-Seite des VBZ-Personalmanagements zu sehen. Nach den Worten von Jörg Buckmann, dem Leiter Personalmanagement bei den VBZ, stellt sein Unternehmen inzwischen für jede einzelne ausgeschriebene Stelle ein Video ins Internet. Diese Kurzfilme dauern zwischen drei und fünf Minuten. Ein – potenzieller – Vorgesetzter beschreibt die wichtigsten Aufgaben der freien Stelle, zeigt den Arbeitsplatz und erläutert, warum er selbst bei dem Unternehmen arbeitet.

Die Zielgruppe von Buckmann ist vordergründig klar. Mit der innovativen Art, neues Personal anzusprechen und für sein Unternehmen zu gewinnen, wendet er sich an die Generation, die mit den neuen Medien aufgewachsen ist. Den VBZ kommt dabei zugute, dass auch ältere Generationen zunehmend das Internet nutzen. Die Suche nach jungen Arbeitskräften ist für die VBZ ein zentrales Zukunftsthema, denn der Altersdurchschnitt des Unternehmens beträgt 46 Jahre; in wenigen Jahren wird jeder zweite Beschäftige der VBZ sogar 50 Jahre und älter sein.

Doch das Damoklesschwert des demografischen Wandels schwebt nicht nur über den Zürcher Verkehrsbetrieben. Auch weltweit tätige Konzerne wie Kraft Foods, deren Europazentrale in Glattbrugg im Kanton Zürich liegt, machen sich Gedanken, wie sie auf einem Arbeitnehmermarkt werden agieren müssen – wenn also vor allem die gut qualifizierten Spezialisten sich ihre Stellen mangels Konkurrenz werden aussuchen können.

Für die Suche nach diesen raren Talenten bieten sich die sozialen Business-Netzwerke wie Xing und LinkedIn als ein Weg an. Doch die Direktorin Human Ressources (HR) bei Kraft Foods, Isabell Hametner, warnt davor, als Unternehmen übereilt diese Quellen zu nutzen. Voraussetzung hierfür sei der Aufbau professioneller Strukturen in der Personalabteilung. Die Organisationsstruktur müsse in einem ersten Schritt angepasst werden und in der HR-Abteilung sei eine klare Rollenverteilung notwendig, sagt Hametner. Kraft Foods hat in der Europazentrale die Hausaufgaben gemacht und in einem zweiten Schritt eine weitere Stelle in der Personalabteilung geschaffen, um die sozialen Business-Netzwerke nach vielversprechenden Talenten zu durchforsten.
Keine Schnellschüsse

Damit hebt sich Kraft Foods von der Mehrzahl der Schweizer Unternehmen ab, weil nach den Ergebnissen der Studie von Monster nur 11,5% der befragten Betriebe bei der aktiven Suche nach Kandidaten auf Xing zurückgreifen, und jeweils 3,3% geben an, zu diesem Zweck regelmässig Facebook und LinkedIn zu nutzen. Noch ist also die aktive Suche nach Kandidaten in den sozialen Netzwerken eher die Ausnahme denn die Regel in der Schweiz.

In einem dritten Schritt will Kraft Foods nun zunächst potenzielle Talente in den Netzwerken identifizieren. Dabei stehe nicht die sofortige Acquise für das Unternehmen im Vordergrund, betont Moritz Nauer, ein Recruitment-Specialist bei Kraft Foods. Er selbst bezeichnet das als «lose Talent-Pipeline», die es zu pflegen und bei Bedarf dann zu nutzen gilt, vor allem um Personal für die Stellen zu finden, die etwa aufgrund eines hohen Spezialisierungsgrades nur schwer besetzt werden können.

Den Unternehmen kommt zugute, dass die sozialen Netzwerke Datenbanken sind, die sie nutzen können, ohne Ärger mit den Datenschutzbeauftragten zu bekommen. Genau vor diesem Problem stehen Personalvermittler wie Adecco, die von den Personen, die sie in ihre Datenbank aufnehmen möchten, zunächst eine unterschriebene Bestätigung benötigen.

Dabei habe es ein Personalvermittler im Gegensatz zu den sonstigen Geschäftsmodellen immer mit zwei Kunden zu tun, also dem zu verleihenden Arbeitnehmer und dem suchenden Unternehmen, sagt der Director Marketing & Communications bei Adecco, José M. San José. Deshalb greife der Schweizer Personalvermittler nicht nur auf die Dienstleistungen von «x28» zurück, um mehrmals täglich aktualisiert einen Überblick über die freien Stellen in der Schweiz zu erhalten, sondern bediene sich auch selbst der sozialen Netzwerke, um auf Fachkräfte aufmerksam zu werden, sagt San José.

Diese technologisch getriebene Entwicklung wird sich eines Tages auch auf das Geschäftsmodell von Personalvermittlern wie Adecco auswirken. Während dann der Verleih von Beschäftigten mit geringer Qualifikation eher von Rechnern mit entsprechender Software abgewickelt würde, könnte Adecco mehr Personal für die Acquise und das Vermitteln von Beschäftigten mit höherer Qualifikation einsetzen.

Doch trotz allen Änderungen, die das Internet für die Personal- und Stellensuche mit sich bringt, wird das klassische Bewerbungsverfahren nicht an Bedeutung verlieren. Für den Leiter HR Marketing & Recruiting bei KPMG Schweiz, Alexander Senn, sind die Lebensläufe und Motivationsschreiben der Kandidaten immer noch die zentralen Elemente im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens. Ihnen könne man entnehmen, ob sich der Bewerber mit KPMG befasst habe und was seine Motivation für die Stelle sei. Und schliesslich werde das persönliche Gespräch zwischen dem Unternehmen und den Kandidaten immer der entscheidende Punkt im Bewerbungsprozess bleiben, sagt Senn.

Diesen Punkt betont auch die Leiterin Personalmarketing bei der Deutschen Telekom, Andrea Schönwetter. Zwar hat ihr Unternehmen einen innovativen Weg eingeschlagen, weil sich Kandidaten beim deutschen Telekommunikationsanbieter über eine iPhone-App mit ihrem Xing-Profil bewerben können. Doch trotz dieser Internet-Welt bleibe der persönliche Kontakt als Voraussetzung für eine Einstellung eine zwingende Voraussetzung. Man wolle die Kandidaten auch abseits aller virtuellen Welten einmal real erleben, fügt Schönwetter an.
Segen und Fluch

Allerdings erhöht das Internet nicht nur die Transparenz für die Unternehmen bei der Suche nach dem geeigneten Kandidaten. Auch für die Bewerber ist der Arbeitsmarkt transparenter geworden, weil sich diese zunehmend über Bewertungs-Plattformen wie Kununu über potenzielle Arbeitgeber informieren können. Zudem tauschen sie sich in den sozialen Netzwerken über ihre Erfahrungen mit Unternehmen aus. Das sollten die Arbeitgeber jedoch nicht als Fluch, sondern als Segen betrachten, da es mit den Bewerbern nun eine Kontaktaufnahme auf Augenhöhe gebe, sagt Senn. Transparenz ist also für beide Marktteilnehmer von Vorteil, wenn beide Seiten sie zu nutzen wissen.

Allerdings haben etliche Unternehmen die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt, denn laut dem von der Zürcher Prospective Media Services erstellten «3. Trend Report Online Recruiting Schweiz 2011» kümmert sich die Hälfte der befragten Schweizer Unternehmen nicht um ihre Reputation im Internet. Diese Sorglosigkeit überrascht und zeugt nicht von Professionalität, da die Netzwerke eine hohe Multiplikatorwirkung haben und die Stimmung über ein Unternehmen als Arbeitgeber massiv beeinflussen können. Das segensreiche Internet kann für die betroffenen Arbeitgeber dann zum Fluch werden.

Quelle: NZZOnline

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